
Fabian Reese
Es ist Donnerstagfrüh, circa 09.30 Uhr, und ich bin mir sicher: Wenn ich jetzt ins Olympiastadion fahre und auf den Rasen schaue, dann sehe ich dort Fabian Reese, der im Vollsprint die linke Außenbahn entlang fliegt, acht Gegenspieler ausdribbelt, auf dem Weg zum Tor per Armrudern die Zuschauer (mich) animiert, nebenher einem großen deutschen Wochenmagazin ein wohl überlegtes Interview gibt, in dem er sich für die Rechte von Minderheiten einsetzt und seine eigenen Privilegien reflektiert, dann auf Strafraumhöhe noch für ein renommiertes Modemagazin im Retro-Trikot posiert und dabei natürlich verboten gut aussieht, um schlussendlich gleichzeitig ein Tor zu schießen und eins vorzubereiten. Andererseits ist es auch gut möglich, dass er gerade in Hamburg unterwegs ist, schließlich hat er Schicht in den Albträumen der kompletten HSV-Verteidigung. Apropos: Was haben HSV-Verteidiger, die gestern durchs Olympiastadion geirrt sind, mit ehemaligen Straftätern, die ihre kriminelle Vergangenheit hinter sich gelassen haben, gemeinsam? Sie wurden erfolgreich Reesezialisiert. Mit anderen Worten: Was für eine atemberaubende Leistung des aktuell wohl besten Zweitligaspielers des Landes.
Nader El-Jindaoui
Noch ein Hertha-Angreifer in der 11 des Achtelfinales – ein Satz, der einigermaßen unwirklich klingt, wenn man sich die Pokalhistorie der Berliner vor Augen führt. Aber: Mit Nader El-Jindaoui gab gestern ein junger Mann sein Profidebüt, der bereits ein YouTube-Star war, als er noch beim Berliner AK in der Regionalliga kickte. Der bei 13-jährigen TikTok-Usern für Schnappatmung sorgt, der bei seinem Wechsel zu Hertha II als Marketinggag abgetan wurde und der von vielen Fußballfans (bisher) als Fußballer so gar nicht ernst genommen wurde. Nun hat eben dieser Nader El-Jindaoui sein erstes Pflichtspiel für die Profis absolviert. Und vor 60.000 Zuschauern im Olympiastadion zunächst den 3:3‑Ausgleich mit einem ganz feinen Diagonalball eingeleitet, um dann im Elfmeterschießen das Herz in die Hand zu nehmen und souverän zu verwandeln – der sogenannte Nader-Reinschoss-Komplex. Oder wie es gestern auf den Rängen hieß, als die älteren Zuschauer so langsam mitbekommen hatten, wer da gerade eingewechselt worden war und als auch die jüngeren El-Jindaoui erkannten, obwohl ihm gar nicht alle paar Sekunden lustige Piraten-Emojis oder Cowboyhüte aus dem Nichts vors Gesicht geflogen kamen: Nader kann schon auch kicken. Wie auch immer, wir freuen uns auf den ersten TikTok-Dance-Challenge-Cameo-Auftritt von Pal Dardaí. Ob es was zu bemängeln gibt? Nader.
Serhou Guirassy
Vorhang auf für den Mann mit einem Torriecher, der so erschreckend gut funktioniert, dass es eigentlich eine Schande ist, dass er beim VfB unter Vertrag steht und nicht bei irgendeiner SoKo, der er dabei helfen könnte, vermisste Tore und entführte Buden aufzuspüren. Jedenfalls traf Guirassy natürlich auch gegen den BVB, seine 18. Hütte im 13. Pflichtspiel diese Saison. Und falls Tom Gerhardt irgendwann doch noch mal eine Fortsetzung der Ballermann-Reihe in die Kinos bringt, sollte spätestens jetzt klar sein, wer aufs Cover muss.
Deniz Undav
Schoss gestern zwar zur Abwechslung mal kein Tor. Spielte aber a) dennoch sehr ordentlich und verkündete dann b) auch noch live im Field-Interview, dass er sich für die deutsche Nationalmannschaft entschieden hat. Und zwar mit den Worten „Einigkeit und Recht und Freiheit“. Und während uns spontan ein Schland-Iro aus dem Schädel wuchs und sich unser tiefer gelegter VW-Polo selbstständig Flaggen-Seitenspiegel überzog, fieberte irgendwo in der niedersächsischen Provinz auch Sarah Connor vor der Glotze mit: „Wann sagt er endlich ‚Brüh im Glanze‘???“
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